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Rätoromanische, Portugiesische und Rumänische Sprach- und Literaturwissenschaft: Studium selbst erlebt

Wie erfolgte die Studienwahl? Wie wird dieses Fach vermittelt? Ein Einblick in den Hochschul-Alltag

«Es herrscht eine sehr familiäre und angenehme Lernstimmung»

D. D. studiert Rätoromanisch im 8. Semester an der Universität Freiburg UNIFR.

Das Berufsziel von D.D. (23) war früh klar: Sie wollte Lehrerin werden. Mit der Wahl des Studiums an der Universität Freiburg entschied sie sich für die gymnasiale Unterrichtsstufe. Die einmalige Fächerkombination überzeugte sie: Psychologie und Pädagogik im Hauptfach, Rätoromanisch im Nebenfach.

Warum diese Fächerwahl?

An der Kantonsschule wählte ich aus Interesse das Schwerpunktfach Psychologie/Pädagogik/Philosophie. Zudem war mein Interesse an der rätoromanischen Sprache und Kultur damals schon gross. Ich absolvierte die zweisprachige Matura Deutsch-Rätoromanisch, schrieb regelmässig Kurzgeschichten für das Radio Rumantsch, veröffentlichte als Maturaarbeit einen Fantasyroman in Romanisch, war im Vorstand der rätoromanischen Jugendorganisation GiuRu und dirigierte den Chor Rumantsch -  einen Schülerchor der Rätoromaninnen und Rätoromanen an der Kantonsschule Chur.

Als ich erfuhr, dass die Universität Freiburg ein speziell zugeschnittenes Studienprogramm für das Fach Psychologie und Pädagogik auf Maturitätsstufe und ausserdem das Nebenfach Rätoromanisch anbietet, war der Entscheid schon fast gefällt. Ein Besuch an der Universität Freiburg festigte meinen Entschluss.

Welche Voraussetzungen benötigt man für das Fach Rätoromanisch?

Das Latein musste ich nicht nachholen, anders als an der Universität Zürich, wo für das Bachelornebenfach à 60 ECTS-Punkte ein Lateinobligatorium besteht. Natürlich sind gute Sprachkenntnisse wichtig (B2 bis C2 von Vorteil). Das Studium findet meist in kleinen Gruppen statt, so dass es oft zu offenen Diskussionen kommt, bei der sich alle aktiv beteiligen sollten.

Wie sieht der Studienalltag aus?

Pro Woche besuche ich ungefähr zehn Kurse à 90 Minuten. Da die Veranstaltungen je nach Fach in unterschiedlichen Gebäuden in der Stadt stattfinden, nehme ich jeweils entweder Velo oder Bus, um pünktlich zum Kursbeginn da zu sein. In den Zwischenstunden und nach der Uni arbeite ich noch selbstständig weiter: Literatur lesen, Recherchieren, Vorträge vorbereiten, Zusammenfassungen für die Semesterprüfungen schreiben.

Neben dem Unialltag schreibe ich weiterhin regelmässig Kurzgeschichten fürs Radio, für eine Onlineseite oder für einen Sammelband. Zwischendurch darf ich meine Texte auch an einer kulturellen Veranstaltung vorlesen. Ausserdem bin ich als Redakteurin einer rätoromanischen Regionalzeitschrift «Revista digl noss Sulom» tätig. In letzter Zeit übersetze ich auch kurze Texte für Videoclips vom Französischen ins Rumantsch Grischun für «Nouvo». Mir ist es wichtig, dass ich diese Teilzeitjobs ziemlich selbstständig und auch ortsunabhängig machen kann, da ich oft zwischen Freiburg und Graubünden pendle.

Was gefällt Ihnen besonders – was weniger am Studium?

Mir gefällt die Stimmung an der Universität Freiburg, insbesondere die familiäre Atmosphäre in den Erziehungswissenschaften und im Rätoromanisch. Alle Professoren und Mitarbeiterinnen der Uni sind sehr hilfsbereit und entgegenkommend, wenn man Schwierigkeiten – meist organisatorischer Natur -hat. Insbesondere das Fach Rätoromanisch hat mich gepackt und ich bin jeweils sehr motiviert, die Vorträge vorzubereiten oder die Seminararbeiten zu schreiben. Ich finde immer wieder ein Thema, das mich brennend interessiert, z.B. spezielle Dialekte von Marmorera oder Lantsch, die Sprachgeschichte zur Persönlichkeit Giuseppe Gangale, Schulbücher auf Rumantsch Grischun, Poesien von den Autorinnen Rut Plouda und Luisa Famos, rätoromanische Kinder- und Bilderbücher, linguistische Besonderheiten in rätoromanischen Chats und SMS etc. In meiner letzten Seminararbeit ging es zum Beispiel um die Kenntnisse der Phraseologismen – Sprichwörter und Redewendungen – von verschiedenen Generationen im rätoromanischen Idiom Surmiran.

Der einzige Nachteil, den ich sehe, ist die kleine Anzahl von Rätoromanisch-Studierenden. Im Master sind wir in den Linguistikseminaren zu zweit. Die Literaturvorlesungen sind für Bachelor und Masterstudenten offen, sodass wir dort oft etwa zu fünft sind, da noch einige fakultativ den Kurs besuchen.

Wo sehen Sie sich in Zukunft?

Ich ziele hauptsächlich auf eine Stelle als Gymnasiallehrerin in Psychologie/Pädagogik und Rätoromanisch ab. Da es wenige solcher Stellen gibt, muss ich mich auch auf einen Plan B vorbereiten. Ich kann mir gut vorstellen, bei der rätoromanischen Dachorganisation Lia Rumantscha zu arbeiten, wo ich bereits durch meine Redaktionstätigkeit einige Kontakte habe. Dort möchte ich auch gerne ein Praktikum im Rahmen meines Studiums machen und kann mir verschiedenste Tätigkeiten vorstellen – als Mitarbeiterin in der Linguistik / Region / Kultur. Ausserdem möchte ich mich wieder stärker dem Schreiben widmen und würde gerne einen neuen Roman schreiben – jetzt während des Studiums konzentriere ich mich nur auf Kurzgeschichten.



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