Die Breite und Tiefe von Religion und Glauben ausloten
S.H. studiert Evangelisch-reformierte Theologie im 5. Semester an der Universität Zürich UZH.
S.H. (20) konnte trotz ihrer jungen Jahre schon einiges an Lebenserfahrung sammeln. "In meinem Leben hatte ich die Möglichkeit, auf Reisen und Auslandaufenthalten viele andere Kulturen kennenzulernen", beginnt S.H. ihre Antwort auf die Frage, wie sie denn auf das Studienfach Theologie gekommen sei. "Beispielsweise wohnte ich mit meiner Familie während meiner Kindheit für zwei Jahre in Australien. Nach der Matura arbeitete ich in meinem Zwischenjahr sieben Monate als Freiwillige in einem kleinen christlichen Projekt mit verschiedenen Bildungseinrichtungen für notbedürftige Familien und Gefängniskinder in Bolivien. Bedingt durch diese Erfahrung in der Entwicklungsarbeit, begannen mich vermehrt die existenziellen Fragen des Lebens zu beschäftigen. Besonders interessierte mich letztlich auch die Tatsache, dass das Christentum auf der Welt unglaublich verschieden gelebt und ausgestaltet wird, und ich verspürte immer mehr den Wunsch, diese Thematik genauer zu erforschen."
Studium in familiärer Atmosphäre
Von der Richtigkeit ihrer Studienwahl ist S.H. nach wie vor überzeugt. Von Anfang an gefiel ihr die familiäre Atmosphäre an der Theologischen Fakultät. "Ich hatte eigentlich erwartet, dass es anonymer zu- und hergeht", räumt die Studentin ein. "Doch durch die kleine Anzahl von Studenten in einer Vorlesung kommt man sehr schnell in Kontakt. Durchschnittlich sitzen mit mir etwa 20-30 Studenten im Vorlesungssaal. Kein Vergleich also zu anderen Studienrichtungen wie Psychologie oder Jus.
Herausforderndes Spannungsfeld von persönlichem Glauben und Wissenschaft
Am Theologiestudium schätzt S.H. vor allem die wissenschaftliche Herangehensweise an das Christentum und an den Glauben selbst. "Es liegt in der Natur, dass eine nüchterne Analyse des Glaubens und des Christentums Diskussionspotenzial und auch Zündstoff birgt", erklärt die angehende Theologin. "Da treffen teilweise auch ganz gegensätzliche Weltanschauungen aufeinander, was manchmal spannende Auseinandersetzungen zur Folge hat. Auch hier sieht man eben, wie unterschiedlich man 'glauben' und Christin oder Christ sein kann."
Am Gymnasium schloss S.H. bereits das Latinum ab, so dass sie an der Uni 'nur' noch Griechisch und Hebräisch lernen muss. "Diese Sprachen sind sehr zeitaufwändig, ermöglichen jedoch einen völlig neuen Blickwinkel auf die Übersetzung der Bibel und die Exegese (Textauslegung)."
Den eigenen Glauben reflektieren
D.N. studiert Römisch-katholische Theologie im 10. Semester an der Universität Freiburg UNIFR.
Nach der Matura zog es D.N. (28) an die ETH Lausanne, wo er zwei Semester lang Materialwissenschaften studierte, ein Studienfach, das vorwiegend auf Mathematik, Physik und Chemie basiert. "Obwohl mir das Studium eigentlich sehr gefallen hat, habe ich im Laufe dieses Jahres realisiert, dass mir dabei die Reflexion über das Menschsein fehlte und ich mehr über die christlich-theologische Perspektive wissen wollte", erklärt der 28-Jährige. So wechselte D.N. an die Uni Freiburg, wo er nun im zehnten Semester Theologie studiert.
Studieren an der Sprachgrenze
An den ersten Tag an der Uni Freiburg erinnert er sich noch ganz genau: "Alles war so gross und vor allem unbekannt". Auch die Zweisprachigkeit war und ist für ihn eine Besonderheit, passt aber sehr gut zu D.N. Als 9-Jähriger flüchtete er aus der Demokratischen Republik Kongo in die Deutschschweiz. Mit Französisch als Muttersprache und der Zweitsprache Deutsch fühlt sich D.N. im zweisprachigen Freiburg sehr wohl.
Im Moment besucht D.N. drei Vorlesungen pro Woche, also ca. 6 Stunden. Zusätzlich wendet er aber noch ca. 30 bis 35 Stunden für das Selbststudium zu Hause oder in der Bibliothek auf. Nebenbei arbeitet der Theologiestudent noch einen Tag als Verkaufsberater, ist Unterassistent an der Universität und boxt in seiner Freizeit.
Von der Mittelschule fühlt sich D.N. nicht sonderlich gut auf das Studium vorbereitet. "Das Studium an einer Universität ist schon etwas ganz anderes als das schulische Umfeld am Gymnasium", meint D.N. "Besonders was die Selbstdisziplin und die Eigenverantwortung angeht. An der Universität sagt dir niemand, was du genau machen musst. Und Ferien sind eben keine richtigen Ferien, weil man entweder lernen oder Arbeiten schreiben muss." Der Student kennt aber kein Patentrezept, wie ihn die Mittelschule besser darauf hätte vorbereiten sollen. "Ich war froh, dass ich die Erfahrung bereits an der ETH Lausanne gemacht hatte. So war für mich der Einstieg hier in Fribourg, wo das Studium aufgrund der weniger starren Studienstruktur noch viel selbstständiger, aber dadurch auch freier gestaltet werden kann und muss, einfacher."